Ausgangslage und Ziele des Vorhabens

Die 3.100 Einwohner starke Ortschaft Bredenbeck ist Teil der Gemeinde Wennigsen (Deister) und liegt ca. 20 km von der Landeshauptstadt Hannover entfernt. Sie verfügt über eine Grundschule, Kindergarten mit Krippe, guten ÖPNV-Verbindungen und dem Deister als ausgewiesenes Naherholungsgebiet. In den letzten fünf Jahren hat im Ort ein downgrading-Prozess in der örtlichen Wirtschaft eingesetzt unter dem sehr die Attraktivität des Standortes gelitten hat. So schlossen neben den restlichen drei verbleibenden Gaststätten (Altersgründe und Feuer) auch das örtliche Reisebüro und einer von zwei Supermärkten. Heute sind Versammlungsräume in entsprechender Größe und Ausstattung nicht mehr vorhanden.

Verteilung InfrastrukturenMit Ankündigung der letzten Kneipenschließung zum Jahresende 2013 entschlossen sich einige Bredenbecker dieser Entwicklung Einhalt zu bieten und selbst aktiv zu werden. Das etwa 12-köpfige Gründungsteam fand sich erstmals im Frühjahr 2013 zusammen und bestand aus erfahrenen Ehrenamtlichen, Geschäftsinhabern, dem Ortsbürgermeister, einer selbstständige Steuerberaterin sowie einem Vertreter der Gemeindeverwaltung. Nach gut einem halben Jahr Vorbereitung, konnte am 03.09.2013 unter der Anwesenheit von 61 Bredenbeckern der Verein rechtskräftig gegründet werden. Im November 2013 erfolgte die Eintragung ins Vereinsregister. Bis zur Jahreshauptversammlung im März 2015 ist der Verein auf 175 Mitgliedern angewachsen. Ebenfalls sind im Dorfgemeinschaftsverein alle 15 Bredenbecker Vereine vertreten und in einem Vereinsbeirat organisiert, die das neu zu schaffende Objekt nutzen möchten. Sie vertreten mit ihren 1.500 Mitgliedern rund 47% der Einwohner.

Eine sozio-demographische Analyse des Studenten Lukas Rethschulte von der Universität Bielefeld aus dem Jahr 2014, stellte in Bredenbeck neben einer starken Überalterung auch eine sehr hohe Single-Haushaltsquote von 54% (davon 91% ohne Kinder) fest. Das Durchschnittsalter beträgt 47,5 Jahre und die größte Altersklasse ist die Gruppe der 50 bis 65-jährigen mit einem Anteil 23,2%. Von diesen Personen sind nur 41% berufstätig, was im Umkehrschluss ein erhebliches ehrenamtliches Potential birgt. Die Überalterung in der Ortschaft ist zukünftig weiter stark ansteigend. Ein weiteres Ergebnis ist, dass es für die Altersgruppen der Familien und Senioren sowie insbesondere die alleinstehenden Einwohner, keine sozialen Treffpunkte, in welcher Form auch immer, gibt. Dies könne zukünftig zu einer drastischen sozialen Ausgrenzung führen und das selbstbestimmte Leben auch im höheren Alter damit gefährden. Durch das hohe ehrenamtliche Potential können mit Hilfe eines Quartiersmanagements (Begegnungsräume schaffen, Vernetzungsstrukturen aufbauen, Zielgruppen und Angebote zusammenführen) die Selbsthilfekräfte der Ortschaft aktiviert werden.

GebäudeleerständeEine städtebauliche Analyse, im Rahmen einer Master-Thesis für Stadtplanung in 2012 ausgearbeitet, kam zu folgenden Schlussfolgerungen: die meisten Wohnquartiere, entstanden in den 1950er bis 1980er Jahren, sind stark überaltert, der Nachzug von Familien ist gefährdet, da Treffpunkte fehlen, die gesamte Attraktivität des Ortes leidet darunter, nötige Investitionen bzw. Revitalisierungen von Leerständen bleiben aus. Das Ziel zukünftiger Entscheidungen sollte sein, das Zentrum mit einer Begegnungsstätte aufzuwerten und somit die Frequenz im Zentrum zu erhöhen, um die verbleibenden Gewerbetriebe zu stärken. Die Grunddaseinsfunktionen von einem Supermarkt, einer Apotheke und zwei Banken sowie zwei Ärzten sind noch vorhanden, die Lage wird aber als sehr fragil eingeschätzt. So hat z.B. eine Bank bereits angekündigt, bei einer Schließung oder Verlagerung des letzten Supermarktes auch ihre Filiale zu schließen. Insgesamt droht die Gefahr, dass Bredenbeck sich zu einem reinen Schlafdorf zu entwickelt.

Ziele des Vorhabens

Gemeinsam mit dem Vorstand, dem Beirat und den Vereinsmitgliedern wurden Ziele, Rahmenbedingungen und Lösungen definiert. Diese wurden in den politischen Gremien und in einem Dorfentwicklungsprozess mit großer Bürgerbeteiligung (durchgeführt durch den Ortsrat Bredenbeck) überprüft. Für das Projekt wurde sich über folgende Ziele verständigt:
Gemeinsames Oberziel:
Errichtung und Betrieb eines Dorfgemeinschaftshauses.
Unterziele:

  • Stärkung der Dorfgemeinschaft, Aktivierung des Dorflebens
  • Errichtung eines DGH´s mit den Funktionen: Treffpunkt, Versammlungsstätte, Bürgerzentrum, Mehrgenerationenhaus
  • Errichtung einer Gaststätte mit Verpachtung als niedrigschwelliger Treffpunkt
  • Alle Altersgruppen sind einzubeziehen, Fokus auf sozio-demographische Zielgruppen
  • Realisierung in den nächsten fünf Jahren

Was wollen wir nicht:

  • Keine reine Kneipe / Partystätte
  • Keine Dominanz einzelner Gruppen
  • Keine Abhängigkeit von einzelnen Institutionen, geschäftlich wie auch inhaltlich
  • Kein wirtschaftlicher Betrieb der Gaststätte
  • Analyse der Stärken und Schwächen

Nach der Zieldefinition wurde im Anschluss eine Stärken- und Schwächenanalyse durchgeführt (SWOT-Analyse):

Swot Analyse

Insgesamt überwiegen nach der SWOT-Analyse die Chancen und die eigenen Stärken, so dass von einer möglichen Realisierung ausgegangen wurde.

Auf Basis dieser ersten Analyse wurden die formulierten Risiken und Schwächen bei einer sorgfältigen Planung als lösbar bzw. vermeidbar eingestuft. So wurde z. B. aus Gründen der Fördermitteleinwerbung und Kostendeckung der laufenden Betriebskosten, eine Dritte Geschäftssäule neben DGH und Gaststätte mit eingeplant: die Ortsteilarbeit, betrieben durch die Gemeinde Wennigsen (Deister). Das nachfolgende Geschäftsmodell beruht daher auf drei Säulen, um die Risiken für den Verein möglichst gering zu halten. Des Weiteren decken die beiden Mieter (Gaststätte und Gemeinde) die Finanzierungs- und Fixkosten, die so die möglicherweise schwankenden Einnahmen der Mehrzweckräume kompensieren können.

Rahmenbedingungen

Basierend auf den Analysen der örtlichen Defizite, Wünsche und endogenen Potentiale wurden folgende inhaltliche Nutzungen mit Vereinen bzw. Akteuren abgeleitet:
Gewerblich: Gastronomie (externe Verpachtung)

Ortsteilarbeit:

  • Ortsteilarbeit betrieben durch die Gemeinde Wennigsen (Deister) mit Angeboten wie Demenzkaffee (reduziertes Seniorenservicebüro), Kinder- und Jugendarbeit, Bürgersprechstunden, integrative Flüchtlingsarbeit
  • Quartiersmanagement: Johanniter Unfallhilfe
  • Bildungsangebot: VHS Calenberger Land

Mehrzweckräume (DGH):

  • Sporthalle / Gymnastikhalle für den Breitensport (kein Ballsport). Nutzer sind hier Sportgemeinschaft Bredenbeck, Eltern-Kind-Initiativen
  • Probenraum für zwei Gesangsvereine (Männergesangverein, A Capella-Chor) und eine BigBand (Second-Star-Band)
  • Kinoraum (Dorfkino Bredenbeck)
  • Kulturbühne (Kulturverein K hoch 3)
  • Raum für Vereinsversammlungen, Feste und Veranstaltungen: Arbeiterwohlfahrt, Bredenbecker Kameradschaft, Feuerwehr, DRK-Ortsverein, Förderverein Grundschule, Handwerkerverein, Heimat u. Kulturverein, Schützengesellschaft, Sozialverband und Weitere

Eine Abfrage unter allen 15 Bredenbecker Vereinen, zu den technischen Anforderungen und Nutzungen an ein zukünftiges DGH, ergab folgende Rahmenbedingungen:

  • 300 qm großer Versammlungsraum (Forderung von vier Vereinen)
  • Mind. Platz für 200 Personen (Forderung von vier Vereinen)
  • Eine lichte Raumhöhe von mind. 4 Metern (Forderung von drei Vereinen)
  • Bewirtung (Forderung von drei Vereinen)
  • Gute Akustik (Forderung von drei Vereinen)
  • Bestuhlung (Forderung von vier Vereinen)
  • Abschließbare Abstellräume / Schränke (Forderung von drei Vereinen)
  • Barrierefreiheit (Forderung von drei Vereinen)
  • Küche (Forderung von einem Verein)
  • Holzfußboden (Forderung von einem Verein)
  • Umkleideräume (Forderung von einem Verein)

Vorgehensweise

Nach Festlegung des Geschäftsmodells (drei Säulen) und der Rahmenbedingungen (Vereinsabfrage) wurde das weitere Vorgehen definiert. Dazu wurde die Future-Gap-Analyse als grobe schematische Darstellung des Realisierungsablaufs angewendet. Dazu wurden die Ziele Vollfinanzierung (Y-Achse) und der zeitliche Ablauf (X-Achse) in Bezug gesetzt. Der Verlauf der orangen Kurve markiert die finanziellen Zu- und Abflüsse: Nach einem Anstieg kommt es zum Erstarken bis hin zum Rückgang, welcher langfristig das Scheitern des Projekts aus Gründen von Mitgliederdemotivation, Absprung von Partnern und Preissteigerungen zur Folge hätte. Dem entgegen steht die blaue Linie mit einzelnen Schritten zur Erreichung einer Vollfinanzierung des Projekts (DGH).

Future Gap AnalyseAus diesem Schema wurden folgende drei zeitliche Realisierungsschritte für die weitere Vereinsarbeit abgeleitet und anschließend umgesetzt:
Kurzfristig bilden die Maßnahmen Mitglieder- und Spendenakquise die Schwerpunkte der nächsten zwei Jahre. Eine Mitgliederanzahl von 250 Bredenbeckern wird angestrebt. Dies entspricht 8% der Bevölkerung bzw. 9.000 Euro an jährlichen Mitgliedereinnahmen (36 Euro je Person und Jahr). Der aktuelle Mitgliederstand vom Februar 2016 beträgt 210 Personen und 15 Vereine. Die Spenden wurden bei der Durchführung von Veranstaltungen (Oster-, Herbst- und Adventsmarkt auf dem Hof Warnecke, Maifest, Public-Viewing, Konzerte, Kino etc.) erzielt. Bis Ende 2015 wurden rund 35.000 Euro eingenommen und das selbstgesteckte Ziel erreicht.

Mittelfristig erfolgte die strategische Einbindung von Geschäftspartnern in das Geschäftsmodell. Dazu wurde mit der Gemeindeverwaltung Wennigsen eine Übereinkunft zur Anmietung von ca. 100 qm Fläche für die Ortsteilarbeit erzielt. Die Räume dienen der integrativen Ortsteilarbeit und werden der Johanniter Unfallhilfe, der Volkshochschule Calenberger Land und weiteren Trägern zu Verfügung gestellt. Die Gemeinde führt ebenfalls eigene Beratungs- und Betreuungsangebote durch.

KredithebelIm Herbst 2015 wurde im Rahmen eines Interessenbekundungsverfahrens ein Gastronom gesucht. Mit zahlreichen Wirten wurden erste Vorgespräche geführt und im Anschluss die zu erzielende Miete präzisiert. Des Weiteren wurde der Gastraum auf 55 Sitzplätze vergrößert und die Küche neu zugeschnitten. Der Gastronomie stehen in Summe ca. 150 qm zur Verfügung.
Langfristig liegt nach genauer Planungsvorbereitung der Baumaßnahmen die finale Beantragung von Fördermitteln im Fokus. Der Gemeinde Wennigsen (Deister) kommt hier als öffentliche Institution und Gebietskörperschaft als auch in ihrer sozialen Verantwortung eine besondere Bedeutung zu. Sie ist Türöffner für sozio-integrative Träger und Projekte, Akquisiteur für Fördermittel und Stiftungsgelder. Als Haushaltssicherungskommune kann sich die Gemeinde nicht finanziell an diesem Projekt beteiligen, unterstützt aber ideell und personell das Vorhaben. So wurde der Wirtschaftsförderer der Gemeindeverwaltung mit der Betreuung des Projekts und der Fördermitteleinwerbung betraut.

Um das Kreditvolumen zu senken wurde ein möglicher Eigenanteil an Bauhelferleistungen von ca. 10% der Gesamtkosten kalkuliert. Dies können Abriss-, Trockenbau- und Malerarbeiten sein. Das verbleibende Defizit wurde mit verschiedenen Kreditinstituten im Rahmen eines Immobiliendarlehens zu aktuellen Konditionen abgeschätzt.

Sondierungsprozess

ObjektvergleicheIm Rahmen eines breit angelegten Sondierungsprozesses wurden verschiedene Objekte und Flächen im Ortskern als auch außerhalb der geschlossenen Ortschaft untersucht. Insgesamt wurden vier Gebäude und zwei Flächen nach den Kriterien Umsetzbarkeit des drei Säulenkonzepts, Zentralität, Kosten, Eigentum vs. Pacht oder Miete, Finanzierung und Fördermittel, Genehmigungen, Nachbarschaft und mögliche Konflikte untersucht. Die Objekte wurden in der folgenden Matrix gegenübergestellt:

Auf der Mitgliederversammlung am 12.05.2016 wurde sich für die Variante zum Umbau der historischen Scheune ausgesprochen. Der Vorstand wurde anschließend ermächtigt den Grundstückskaufvertrag zu unterzeichnen, Kredite aufzunehmen, Förderanträge zu stellen, Versicherungen abzuschließen und Aufträge an Gewerke zu vergeben.

Das Gebäude wurde am 22. Dezember 2016 gekauft. Der Bauantrag wurde darauf im Januar 2017 gestellt und im November 2019 genehmigt. Die Dachsanierung wurde im Frühjahr 2017 abgeschlossen. Im Laufe des Jahres 2017 wurden in zahlreichen Arbeitseinsätzen der ehrenamtlicher Bauhelfer vorbereitende Abrissarbeiten für den späteren Umbau durchgeführt. Die ehrenamtlichen Helfer haben Großteile des Innenausbaues wie mauern, Trockenbau, Tischler- und Malerarbeiten, Technikinstallation sowie sämtliche Außenarbeiten in über 9.000 Arbeitsstunden erbracht. Fachfirmen begleiteten die Arbeiten. Es wurde mit einer Bauzeit von eineinhalb Jahren gerechnet, Fertigstellung und Eröffnung war Anfang Juni 2019.

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